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Berliner Mauer

Gesundheitsfaktor Arbeit: Wie Arbeitslosigkeit die Gesundheit ostdeutscher Flüchtlinge beeinflusste

Schwarzer et al. (1994) – Unemployment, Social Support and Health Complaints: A Longitudinal Study of Stress in East German Refugees

Schon lange sind die psychischen und physiologischen Gesundheitsrisiken von anhaltender Erwerbslosigkeit bekannt. Arbeitslosigkeit erhöht das allgemeine Sterblichkeitsrisiko, dafür sind neben einem höheren Gesundheitsrisikoverhalten auch eine erhöhte Suizidalität – gerade durch psychische Störungen – verantwortlich. Nun habe ich einen 21 Jahre alten Artikel von Professor Ralf Schwarzer von der Freien Universität Berlin entdeckt, in welchem die gesundheitlichen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sowie der Effekt sozialer Unterstützung an einer Hochrisikogruppe untersucht wurde: An ostdeutschen Flüchtlingen.

Warum Hochrisikogruppe?

1989 ließen sich 50.000 ostdeutsche Flüchtlinge in Westberlin nieder, nachdem sie teilweise unter Lebensgefahr aus ihrer Heimat flohen. Die Flucht aus der eigenen Heimat ist ein kritisches Lebensereignis, dessen psychische Belastung mit dem Tod einer nahe stehenden Person verglichen werden kann. Dementsprechend steigt durch die Flucht in ein fremdes Land auch die Vulnerabilität für psychische Erkrankungen. Ob ein Flüchtling dann tatsächlich psychisch erkrankt, hängt gemäß der transaktionalen Stresstheorie nach Lazarus nicht nur von der Bewertung des belastenden Ereignisses, also der Flucht, selbst ab. Genauso entscheidend ist die Bewertung der vorhandenen Ressourcen, um dieses Ereignis bewältigen bzw. verarbeiten zu können. Wenn keine Ressourcen vorhanden sind, dann steigt das subjektive Stresserleben und damit auch die Gefahr für psychische Erkrankungen. Demnach ist es nach kritischen Lebensereignissen unabdingbar, auf Ressourcen wie die soziale Unterstützung zurückgreifen zu können. Da das gewohnte soziale und berufliche Netzwerk mit der Flucht in ein fremdes Land schlagartig wegbricht, kann die unmittelbare soziale und berufliche Integration als eine der wichtigsten Ressourcen für die Traumabewältigung von Flüchtlingen angesehen werden.

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit Erwerbstätigkeit und soziale Unterstützung dem negativen Einfluss von Flucht auf die Gesundheit entgegenwirken können. Dazu wurden 1989 noch vor dem Mauerfall über 1000 geflüchtete Ostdeutsche in Westberlin kontaktiert. Insgesamt nahmen 235 Geflüchtete an drei Befragungswellen zwischen 1989 und 1991 teil.

Methoden

Zu allen drei Messzeitpunkten beantworteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Fragebogen. Dieser beinhaltete Fragen zum momentanen Beschäftigungsstatus und zur sozialen Unterstützung. Außerdem wurden aktuelle gesundheitliche Beschwerden abgefragt (Fragen bezüglich bestehender Herzleiden, Gliederschmerzen, Magenschmerzen und Erschöpfung).

Ergebnisse

Die Studie zeigte: Das aktuelle Beschäftigungsverhältnis hängt deutlich mit dem Ausmaß der gesundheitlichen Beschwerden zusammen. Ostdeutsche Migrantinnen und Migranten die über den gesamten Befragungszeitraum von zwei Jahren arbeitslos blieben, hatten die mit Abstand stärksten gesundheitlichen Beschwerden. Wesentlich weniger Gesundheitsprobleme hatten diejenigen, die in dieser Zeit einen Job gefunden haben. Am wenigsten Beschwerden hatten Migrantinnen und Migranten, die direkt nach ihrer Ankunft in Westberlin Arbeit fanden und über den gesamten Studienzeitraum durchgängig erwerbstätig blieben.

Interessant wird’s vor allem wenn man das Ausmaß sozialer Unterstützung ebenfalls berücksichtigt:

Von einer sozialen Integration profitierten die arbeitslosen DDR-Flüchtlinge gesundheitlich sehr stark: Die gesundheitlichen Beschwerden gingen in dieser Gruppe innerhalb von zwei Jahren stark zurück. Nichtsdestotrotz ging es den Flüchtlingen, die durchgängig einen Beruf ausübten, im Vergleich immer noch besser – unabhängig vom Ausmaß sozialer Unterstützung.

Was sagt uns das?

Die Ergebnisse sprechen für sich. Auch wenn in dieser Studie eher körperliche Beschwerden abgefragt wurden: Arbeitslosigkeit ist ein Risikofaktor für die physische und psychische Gesundheit. Dieser wird durch bereits bestehende Traumata, z.B. durch belastende Fluchterlebnisse, weiter verstärkt. Der negative Einfluss der Arbeitslosigkeit kann zwar durch soziale Integration abgemildert werden, jedoch kann die Erwerbstätigkeit als Gesundheitsfaktor dadurch nicht ersetzt werden.

Zusammengefasst zeigt die Studie dass soziale Integration enorm wichtig für die Gesundheit geflüchteter Menschen ist. Noch wichtiger ist jedoch eine möglichst zügige Integration in den Arbeitsmarkt. Wir sollten also aus der Geschichte lernen.

Autor: Daniel Fodor

Bildquelle: Clément Belleudy: Berliner Mauer / www.flickr.com

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