Sehen Angestellte in ihrem Unternehmen keine Entwicklungschancen, birgt diese Perspektivlosigkeit ein Risiko für ihre Gesundheit, aber auch die Gefahr einer möglichen Kündigung. DearEmployee erfasst daher, wie Mitarbeiter*innen ihre Möglichkeiten einer fachspezifischen und auch persönlichen Weiterentwicklung einschätzen. Denn Qualifikationsmöglichkeiten sind gerade bei jungen Arbeitnehmer*innen entscheidend für die Motivation und Zufriedenheit.
Keine Entwicklungschancen? – Perspektivlosigkeit führt zu Frust
Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young zeigt in diesem Zusammenhang in der EY Jobstudie aus dem Jahr 2019 auf, wie es um die Aufstiegs- und Entwicklungschancen in österreichischen Firmen bestellt ist. Nur wenige Mitarbeiter*innen sahen in ihren aktuellen Unternehmen Entwicklungsperspektiven. 37 Prozent der 20-Jährigen glaubten an gute Karrieremöglichkeiten in ihrem Unternehmen, bei den 21-35-Jährigen waren es nur mehr 30 Prozent. Dieser Wert sank mit 16 Prozent auf gut die Hälfte bei den über 50-Jährigen. Die als gering empfundenen Aufstiegsmöglichkeiten gehen laut der EY Jobstudie mit großer Unzufriedenheit einher. Gut zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen wünschen sich mehr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung im eigenen Unternehmen. Mit 57 Prozent fühlte sich ein Großteil unterbezahlt und wünscht sich im Durchschnitt 14 Prozent mehr Gehalt. Doch eine Gehaltserhöhung allein ist nicht immer der größte Motivator.
Sich ewig mit den gleichen Aufgaben konfrontiert zu sehen, kaum Entscheidungsspielraum zu besitzen und seit Jahren keinen erweiterten Verantwortungsbereich zu erhalten frustriert. Gab es zudem lange keine Gehaltserhöhung mehr und fehlen generell Karrieremöglichkeiten können Angestellte in einen demotivierenden Trott geraten. Oft wird die Schuld für die fehlenden Entwicklungschancen den Arbeitgeber*innen zugeschoben. In Wirklichkeit tragen meist beide Seiten ihren Teil dazu bei.
Anzeichen der Perspektivlosigkeit erkennen
Doch wie erkennt man überhaupt, dass fehlende Entwicklungschancen schuld an dem eigenen Motivationstief sind? In jedem Fall erfordert es Aufmerksamkeit für die eigene Situation und den Mut zur Selbstreflexion. Wenn ein Großteil der folgenden Punkte zutreffen, könnte es Zeit zum Handeln sein:
- Der eigene Verantwortungsbereich hat sich in den letzten Jahren nicht verändert.
- Die Aufgaben sind immer wieder die gleichen
- In der eigenen Abteilung gab es schon ewig keine Beförderung mehr.
- Der Job macht keinen Spaß mehr.
- Es gibt kein Angebot für Fort- und Weiterbildungen.
- Jede einzelne Aufgabe könnte auch im Schlaf erledigt werden.
- Berufliche Wünsche und Ziele liegen in weiter Ferne
- Die eigene Anstrengung macht sich nicht bezahlt
- Zweifel am Job und Arbeitgeber überwiegen
- Der Vorgesetzte vertröstet immer wieder auf einen späteren Zeitpunkt, um sich weiterzuentwickeln.
Welche Auswirkung kann Stillstand haben?
Verfestigt sich der Eindruck einen Job zu machen der nirgends hinführt, schwindet die anfängliche Zufriedenheit und Motivation. Eine Negativ-Spirale kann die Folge sein. Auf Frust folgt Antriebs- und Motivationslosigkeit. Der Job wird einfach nur noch erledigt. Es fällt schwer sich aufzuraffen und Anstrengung in Kauf zu nehmen, wenn es keine Aussicht auf Veränderung gibt. Wird die Perspektivlosigkeit zu einem dauerhaften Zustand können ernste Selbstzweifel die Folge sein. Bei Jobantritt gab es noch Ziele und Hoffnungen, wohin man sich mit dieser Stelle entwickeln könnte. Diese werden dann durch Zweifel und Zukunftsängste abgelöst. In schlimmsten Fall kann Perspektivlosigkeit zu einer Depression führen: Selbstzweifel bestimmen dann das gesamte Denken und die Situation scheint ausweglos. Der Glaube daran, nichts ändern zu können, raubt zunehmend Energie.
Wie kommt es zur Perspektivlosigkeit
Manchmal dauert es Jahre bis es einem wie Schuppen von den Augen fällt, dass man seit einiger Zeit auf der Stelle tritt. Die Schuld an dieser Situation tragen Führungspersonal und Angestellte oft gleichermaßen. Gibt es keine Karrierechancen oder wurden Anfragen zu Weiterbildungen vom Arbeitgeber abgelehnt, sehen Angestellte langfristig keine Perspektiven. Auf der anderen Seite sind aber auch Angestellte in der Verantwortung immer mal wieder über ihre derzeitige Situation zu reflektieren und einen Blick in die eigene Zukunft zu wagen. Denn ein Fehler, der oft begangen wird, ist sich zu sehr auf die Sicherheit zu verlassen, die der eigene Job bringt. Ein festes Gehalt am Ende des Monats, überschaubare Aufgaben und wenig Risiko Fehler zu begehen können verhindern, an der eigenen Situation etwas zu ändern. Die Angst neue Herausforderungen nicht meistern zu können, hindert Mitarbeiter*innen sich an neue Aufgaben zu wagen.
Was können Arbeitnehmer*innen tun, um Entwicklungschancen zu finden?
Am Anfang steht die Einsicht. Angestellte müssen sich ihre Situation eingestehen und aufhören Ausreden zu finden oder auf eine glückliche Fügung zu hoffen. Ist klar, woran es mangelt, dann ist es an der Zeit, Ziele zu formulieren: Wohin möchte man sich entwickeln? Geht es um die Karriereleiter? Ist eine fachliche Weiterentwicklung das Ziel? Geht es darum, Verantwortung zu übernehmen? Welche Kompetenzen werden benötigt? Welche Möglichkeiten und Finanzierungen gibt es? Ein Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten oder der Personalabteilung über die empfundene Perspektivlosigkeit und Wünsche zur Veränderung kann oft schon helfen. Hier zeigt sich schnell, ob es bislang unbekannte Entwicklungschancen oder ob es tatsächlich keine Perspektiven gibt.
Veränderung setzt allerdings einen gewissen Mut zum Risiko voraus. Jede neue Situation birgt Unsicherheiten, bringt aber auch frischen Wind und kann Spaß machen. Nur durch Veränderung können sich neue Perspektiven öffnen.
Was können Arbeitgeber*innen tun?
Aber auch Unternehmen, die ihrem Personal keine Entwicklungschancen bieten, riskieren motivierte Mitarbeiter*innen zu frustrieren oder auf lange Sicht zu verlieren. Gar nicht zu sprechen, wie sich Stillstand auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes auswirkt. Unternehmen, die in Kompetenzentwicklung investieren, profitieren daher langfristig und können Mitarbeiter*innen an sich binden. Zudem unterstützen Möglichkeiten zur Entfaltung, Karrierechancen und fachlichen Weiterbildung die Gesundheit der Mitarbeiter*innen und sichert langfristig den Erfolg des Unternehmens.
Weiterbildungen bringen oft neue Ideen und motivieren Angestellte sich einzubringen. Zudem können durch verbesserte Kompetenzen tägliche berufliche Herausforderungen besser bewältigt werden. Auch den Veränderungen bedingt durch Globalisierung, rasante technologische Entwicklungen oder demografischen Wandel kann man oft nur durch gezielte Weiterbildung begegnen. Es gibt kaum Berufe, bei denen es heute noch ohne Weiterbildung geht. Eine Philosophie des lebenslangen Lernens zu etablieren, motiviert Mitarbeiter*innen und kann auch Hilfe zur Selbsthilfe sein. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können zudem durch gezielte Kompetenzentwicklung fachkundige und talentierte Mitarbeiter*innen zu ExpertInnen werden.
Ziele vereinbaren
Einzelmaßnahmen zur Entwicklung von High Potentials sind häufig. Darüber hinaus sollten Unternehmen aber die Kompetenzentwicklung grundsätzlich in ihrer Vision und Strategie verankern. Alle Mitarbeiter*innen sollten aktiv bei der Weiterentwicklung unterstützt werden. Maßnahmen können beispielsweise in Personalprozesse wie Nachfolgeplanung, Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche eingebunden werden. Denn herauszufinden, was sich Mitarbeiter*innen wünschen und was sie motiviert, erfordert eine gute Kommunikation und auch Feingefühl. Führungskräfte können dabei als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter*innen fungieren.
Neben den Wünschen der Angestellten sollte geprüft werden, welche Weiterbildungen dem Unternehmen nutzen bzw. unternehmensinterne Entwicklungschancen geprüft werden. Kann das Gelernte im Arbeitsalltag direkt angewendet werden? Welche Kompetenzen wären auf dieser Stelle sinnvoll und würden für einen Karriereschritt qualifizieren? Die notwendigen Kompetenzen sollten sich daher aus der Unternehmensstrategie ableiten, gut dokumentiert und immer wieder an den Bedarf angepasst werden. Denn es gibt in keine pauschale Weiterbildungslösung. Was am besten funktioniert, hängt letztendlich von Größe und Struktur des Unternehmens sowie den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen ab.
Entwicklungschancen beziehen sich übrigens nicht allein auf Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch auf Karriereaussichten und Verantwortungsübernahme. Gerade hochqualifiziertes Personal braucht Raum zum eigenverantwortlichen Arbeiten.
10 Tipps für bessere Entwicklungschancen
- Die eigene Situation bewusst machen und klare Ziele formulieren (Angestellte & Unternehmen).
- Offene Kommunikation suchen.
- Kompetenzentwicklung in Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche integrieren.
- Rahmenbedingungen und Finanzierungsmöglichkeiten festlegen.
- Kompetenzentwicklung von Unternehmensstrategie ableiten.
- Führungskräfte zu Entwicklungspartnern ausbilden.
- Weiterbildungsangebote dokumentieren und nach Bedarf anpassen.
- Eine Philosophie des lebenslangen Lernens etablieren.
- Talentiertes Personal gezielt weiterbilden und so dem Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken.
- Fachliche Weiterbildung an Anforderungen des Marktes anpassen
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