Die psychische Gesundheit ist derzeit wieder im Fokus von Medien und Politik. Grund dafür? Der neue Psychoreport der gesetzlichen Krankenversicherung DAK. In einer Langzeit-Analyse hat die DAK die anonymisierten Daten von rund 2,5 Millionen erwerbstätigen Versicherten in Hinblick auf Fehltage ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen: In Deutschland konnte im vergangenen Jahr jeder 18. Arbeitnehmer wegen einer psychischen Erkrankung nicht täglich bei der Arbeit erscheinen.
Die Langzeitanalyse der DAK: Die Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen sind seit 1997 um 208% gestiegen. Bei anderen Erkrankungen ist ein Anstieg von 31% zu verzeichnen. Der hohe Anstieg psychischer Erkrankungen kann einerseits mit einer gestiegenen Sensibilisierung für die Psyche erklärt werden: Psychische Erkrankungen werden heutzutage beim Arzt oder bei der Ärztin eher angesprochen und auch diagnostiziert. Andererseits kann eine durch Digitalisierung und Automatisierung immer komplexer und schneller werdende Arbeitswelt auch ihren Anteil am Anstieg haben. DAK-Vorstandschef Andreas Storm bemängelt in der Presse, dass in vielen Betrieben psychische Erkrankungen immer noch ein Tabuthema seien. Aufgrund dessen fordert er die Arbeitgeber auf, psychische Belastungen aus der Tabuzone zu holen und ihren Beschäftigten aktiv und anonym Hilfe anzubieten. Hierbei könnte beispielsweise eine psychische Gefährdungsbeurteilung den Arbeitgeber dabei unterstützen, den Bedarf für Unterstützungsangebote zu erfassen.
Was sind die häufigsten Gründe für Krankschreibungen?
Betrachtet man die Einzeldiagnosen nehmen Depressionen im Report 2018 mit 93 Fehltagen je 100 Versicherte den ersten Platz ein, gefolgt von Anpassungsstörungen mit 51 Fehltagen je 100 Versicherte. Die Anzahl der Fehltage aufgrund einer Anpassungsstörung hat sich laut DAK seit 2000 fast verdreifacht. Nach dem ICD10 kommt es bei der Anpassungsstörung zu einer anhaltenden emotionalen Beeinträchtigung, die während eines Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftritt. Wie ein Mensch mit diesen Ereignissen umgeht, ist sehr stark abhängig von der psychischen Widerstandsfähigkeit – der Resilienz. Ist die Resilienz zum Beispiel bereits durch schlechte Arbeitsbedingungen belastet, kann es vorkommen, dass eine negative Veränderung der Lebenssituation eine Person völlig aus der Bahn wirft. Inwiefern die psychischen Erkrankungen ihren konkreten Ursprung in der Arbeit haben, ist bisher eher unklar, da Burnout nur als Zusatzdiagnose klassifiziert werden konnte. Denn erst dieses Jahr wurde das Burnout als Syndrom im Klassifikationssystem ICD11 definiert. Mehr Informationen dazu finden Sie im Beitrag “Wichtiges Signal – Burnout jetzt konkret im ICD-11 definiert”. Die kommenden Jahre werden dann mehr Aufschluss über das Vorkommen von Burnout in der Erwerbsbevölkerung bringen.
Welche Gruppen sind besonders gefährdet?
Laut der DAK weisen die Branchen „Öffentliche Verwaltung“ sowie „Gesundheitswesen“ überproportional viele Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen auf. 2018 lagen die Öffentliche Verwaltung mit 358 und das Gesundheitswesen mit 321 Ausfalltagen deutlich über den Durchschnitt von 236 Tagen. Auf eine Ursache der hohen Fehltage im Gesundheitswesen gehen wir in unserem Blogartikel „Wenn im Schichtdienst die Nacht zum Tag wird – Kranke Pflege in der Krankenpflege“ ein. Außerdem zeigt der DAK-Report, dass die Zahl der Fehltage für psychische Erkrankungen bei beiden Geschlechtern mit dem Alter kontinuierlich zunimmt.
Es gibt jedoch auch gute Nachrichten: 2018 gingen die Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen erstmals zurück – um 5,6 Prozent. Das Ziel von DearEmployee und dem Partnernetzwerk ist es, diesen Trend weiter zu unterstützen und Fehltage durch die Gestaltung von gesunden Arbeitsbedingungen weiter zu reduzieren.
Autorin: Charlott Hoebel, mit Henning Jakob
Quellen:
DAK-Gesundheit (2019). Pressemitteilung: Dak-Psychoreport 2019: dreimal mehr psychische Erkrankungen als 1997. Verfügbar unter https://www.dak.de/dak/download/190725-pm-psychoreport-pdf-2125480.pdf
ICD-10-GM (Version 2019). Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision). Stand: 21. September 2018