In Zeiten der Arbeitsverdichtung, Digitalisierung, ständiger Erreichbarkeit und Intensivierung des Wettbewerbs bleiben zwei Dinge häufig auf der Strecke: Die körperliche und die mentale Gesundheit. Aufgrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels ist es zudem wichtig, auf die Gesundheit der Beschäftigten zu achten, um ihre Arbeitskraft so lange wie möglich zu erhalten. Wer frühzeitig Belastungsfaktoren erkennt und die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen ernst nimmt, kann so aus betrieblichem Gesundheitsmanagement einen Wettbewerbsvorteil generieren. Das Risiko sich als Unternehmer dabei selbst im Weg zu stehen, ist allerdings recht groß:
Es werden weit mehr Menschen durch ihre Führungskraft krank als durch einen falsch eingestellten Bürostuhl.
Jedoch auch das Gegenteil stimmt: „Die Arbeit ist eine Quelle der Gesundheit.“, sagte bereits der Schweizer Jurist Carl Hilty (1833 – 1909). Insbesondere wenn man sich vergegenwärtigt, dass viele Beschäftigte unter der Woche mehr Zeit mit ihren Kolleg*innen als mit ihrer Familie oder Freunden verbringen, liegt es auf der Hand, dass die Arbeitsplatzbedingungen dominant auf die physische und psychische Gesundheit wirken. Da der Mensch ein soziales Wesen ist und damit soziale Beziehungen ein zentraler Faktor für ein gesundes Miteinander sind, kommt den sozialen Beziehungen zwischen Kolleg*innen und zu Führungskräften besondere Bedeutung zu.
Zwischenmenschliche Probleme können schnell zur Belastung werden und sowohl schwerwiegende körperliche als auch psychische Folgen haben. Besonderes Augenmerk sei hier auf die Führungskraft gerichtet, die durch ihr Verhalten einen großen Beitrag zum Betriebsklima leistet und eine Vorbildfunktion hat. Die Wirkungsweise von Führung kann daher grob in zwei Gruppen eingeteilt werde: Einmal in konstruktive und einmal in destruktive Führung. Eine Bewertung liegt schon in der Einteilung: Kaum jemand wird eine destruktive Führung ernsthaft als positiv bewerten. Aber woran erkennt man destruktive Führung? Wie kann man destruktives Führen verhindern? Oder besser noch: Wie gelingt konstruktive Führung? Und warum ist das für die psychische Gesundheit im Unternehmen wichtig?
So erkennen Sie destruktives Führungsverhalten
Nach Schyns, B. & Schilling, J. (2013) [1] ist Führungsverhalten destruktiv, wenn es die folgenden 3 Kriterien erfüllt:
- Das Verhalten der Führungskraft wird von Mitarbeiter*innen als feindselig und/oder hinderlich wahrgenommen.
- Es beeinflusst dadurch das Erleben, Handlungen, und/oder Beziehungen der Mitarbeiter*innen.
- Es kommt über einen längeren Zeitraum wiederholt vor.
Dimensionen krankmachender Führung zeigen sich häufig durch Erhöhung des Drucks, Misstrauen, Fokus auf Fehler/destruktive Kritik, Ignorieren oder Bevorzugen von bestimmten Beschäftigten, willkürliche Entscheidungen, starke Kontrolle und plötzliches Entreißen von Aufträgen. Die Folgen solchen Verhaltens sind für Unternehmen und Beschäftigte auf verschiedenen Ebenen schwerwiegend.
Für die Beschäftigten sind die Folgen vor allem gesundheitlicher Natur: Es entsteht Angst vor Fehlern, bei gleichzeitiger Erhöhung der Fehlerquote, die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab, es kommt zu Angst vor Arbeitsplatzverlust, Stress, Burnout, Schlaflosigkeit, vermindertem Appetit, Kopfschmerzen, Muskuloskelettalerkrankungen bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere bei Angst vor Arbeitsplatzverlust kommt es zu Präsentismus: Beschäftigte kommen trotz Erkrankung zur Arbeit. In Summe führt dies auf Unternehmensseite zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden: Ausfalltage steigen, die Produktivität sinkt, die Fehlerquote erhöht sich, Beschäftigte sind demotiviert, es entsteht eine hohe Fluktuation.
Mit Blick auf die negativen Folgen destruktiver Führung scheint der Führungsaufgabe psychische Gesundheit eine besondere Bedeutung für das Immunsystem eines Unternehmens zuzukommen. Soziale Beziehungen können nicht nur als Belastung, sondern auch als Ressource erlebt werden. Es gilt daher, Faktoren zu identifizieren, mit denen die Führungsrolle als Ressource eingesetzt und gelebt werden kann.
So gelingt konstruktive Führung
Ein erster Schritt ist, sich das eigene Führungsverhalten bewusst zu machen und es zu reflektieren. Denn nur so kann gesunde Führung erlernt werden. Hierfür gibt es zahlreiche Schulungen, Ratgeber und Workshops, die Tipps geben, wie man das eigene Führungsverhalten reflektieren und anpassen kann. Im Folgenden geben wir einen Überblick über Merkmale konstruktiver Führung und geben Praxisbeispiele.
6 Dimensionen gesunder Führung:
- Anerkennung / Lob / Wertschätzung;
- Interesse / Aufmerksamkeit / Kontakt;
- Gesprächsführung / Einbeziehen / Kommunikation;
- Transparenz / Offenheit / Durchschaubarkeit;
- Betriebsklima / Stimmung;
- Stressbewältigung / Belastungsabbau / Ressourcenaufbau.
All diese Dinge sind wichtige Bausteine für eine konstruktive Führung. Die Basis gesunden Führungsverhaltens ist allen voran jedoch ein gesunder Umgang mit sich selbst. Denn nur wenn Führungskräfte auf sich selbst achten, können sie auch für andere sorgen. Das hat einmal den Hintergrund, das Führungskräfte immer eine besondere Rolle einnehmen und auch ein Vorbild sind, zum anderen liegt in der notwendigen Selbstachtsamkeit auch die Wurzel für das Verständnis von Bedürfnissen anderer.
Führungsaufgabe psychische Gesundheit: Studie aus St. Gallen
Für die Entwicklung eines konstruktiven Führungsstils muss das Rad nicht neu erfunden werden, – neben zahlreichen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es reichlich Beispiele, wie man an das Thema herangehen kann. Zur Anregung und Inspiration empfehlen wir einen Blick in eine Studie der Universität St. Gallen. Sie beschreibt den Einfluss von BGM-Maßnahmen und wie sich gesunde Führung auf den Gesundheitszustand von Beschäftigten auswirkt. Hierfür wurden 264 Geschäftsführer*innen und 96 Personalleiter*innen aus 96 deutschen Unternehmen befragt. Das Ergebnis: Gesunde Führung hat im Vergleich zu ergebnisorientierter und inspirierender Führung den größeren positiven Einfluss auf die Gesundheit.
Das können Sie tun
Wenn sie direkt damit beginnen möchten, etwas für die psychische Gesundheit Ihrer Beschäftigten zu tun, können Sie beispielsweise mit den von Bernd Bogert, Geschäftsführer der St.-Gereon-Seniorendienste, empfohlenen Maßnahmen beginnen:
- Führen Sie eine anonyme Mitarbeiterbefragung durch. Nur so bekommen Sie heraus, wo es wirklich hakt. Das kann ein gutes Instrument sein, um nah am Mitarbeiter zu bleiben und ein guter erster Schritt, um das Thema Gesundheitsförderung zu starten.
- Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter*innen ernst und halten Sie persönlichen Kontakt. Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden das Gefühl geben, „nur mit euch schaffen wir das“ und dies auch kommunizieren, dann schaffen Sie ein vertrauensvolles und konstruktives Klima.
- Man braucht kein riesiges Programm für die Gesundheitsförderung. Es sind oft die kleinen Dinge, die die größte Wirkung haben: Ein Gesundheitstag im Jahr, eine Schulung für Führungskräfte, eine wertschätzende Grundhaltung.
Fazit
Gesunde Führung hat nachhaltige positive Auswirkungen auf die Führungskraft selbst, die Beschäftigten und damit auch auf den Unternehmenserfolg. Es gilt daher, Kennzeichen destruktiver Führung schon frühzeitig zu erkennen und mit entsprechenden Maßnahmen gegenzusteuern. HR Analytics eignen sich dafür, betroffene Felder ausfindig zu machen und Ansatzpunkte zur Verbesserung zu entwickeln.
[1] Schyns, B. & Schilling, J., How bad are the effects of bad leaders?A meta-analysis of destructive leadership and its outcomes. The Leadership Quarterly, 24, 138-158. 2013
Autor: Henning Jakob
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der DEKRA.