Dieser Artikel von Dr. Amelie Wiedemann ist erstmalig erschienen in der Oktoberausgabe der Kommunalpolitischen Blätter.
Arbeiten 4.0 ist gekennzeichnet durch Digitalisierung, Tertiarisierung und demografischen Wandel. Unternehmen und Mitarbeitende profitieren vom Wandel der Arbeitswelt, aber es entstehen auch neue Anforderungen, die zu Fehlbelastungen und psychischen Erkrankungen führen können. Änderungen im Arbeitsschutzgesetz sollen dazu beitragen, dass die psychische Gefährdung von Beschäftigten durch Arbeitsbedingungen reduziert wird. Ganzheitliche Konzepte für Gesundheitsförderung kommen dabei der Personalentwicklung zugute. Für kommunale Unternehmen ist das Thema von besonderer Bedeutung.
Der Krankenstand in vielen klassischen Berufsbildern kommunaler Unternehmen liegt über dem Branchendurchschnitt von vier Prozent – in der öffentliche Verwaltung beispielsweise bei über fünf Prozent, in der Abfallentsorgung bei sechs Prozent. Hauptursachen für krankheitsbedingte Fehltage sind zumeist Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, des Atmungssystems sowie psychische Erkrankungen. Hervorzuheben ist der anteilsmäßige Anstieg psychischer Erkrankungen. Als ein Grund kann die Digitalisierung angeführt werden: Arbeitsverdichtung durch beschleunigte Arbeitsprozesse, Entgrenzung durch ständige Erreichbarkeit und sich wandelnde Berufsbilder betreffen nahezu alle Unternehmen. Wenn keine geeigneten Rahmenbedingungen vorhanden sind, können aus diesen neuen Anforderungen Fehlbelastungen entstehen, die psychisch krank machen. Das gilt besonders dann, wenn auch die Chancen, die sich aus der Digitalisierung für die Arbeitsgestaltung ergeben, nicht genutzt werden können. Dies betrifft zahlreiche typische Tätigkeitsbereiche in kommunalen Unternehmen: Wer in den Sozialberufen im direkten Kontakt mit Menschen arbeitet, kann nur wenig durch Technik entlastet werden. Wer in den Präsenzberufen der Ver- und Entsorgungswirtschaft arbeitet, kann seinen Arbeitsort nicht flexibel wählen. Die Identifikation besonders belastender Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten zur optimierten Arbeitsgestaltung ist Gegenstand der psychischen Gefährdungsbeurteilung.
Gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung: Pflicht und Chance.
Arbeiten 4.0 darf nicht krank machen – auch nicht psychisch. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet alle deutschen Arbeitgeber explizit dazu, auch die Gefährdung der Mitarbeitenden durch psychische Belastung bei der Arbeit zu beurteilen. Wenn Unternehmen Gesundheit zum Querschnittsthema machen, kann aus der gesetzlichen Pflicht eine große unternehmerische Chance werden. Beispielsweise verlangen demografischer Wandel und Fachkräftemangel von vielen kommunalen Unternehmen auch eine nachhaltige Strategie für die Personalsicherung und -gewinnung: Eine Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ergab, dass circa 60 Prozent der befragten Unternehmen Probleme bei der Suche nach Fachpersonal haben. Eine gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung kann helfen, die Arbeitsfähigkeit des Fachkräftebestands trotz verlängerter Lebensarbeitszeit zu erhalten und darüber hinaus die Bindung des Fachpersonals an das eigene Unternehmen stärken. Bei der Personalgewinnung kann ein überzeugendes Gesundheitsmanagement durch eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität punkten. Gesundheitsförderung kann somit ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein – insbesondere für die vielen kommunalen Unternehmen in den Wachstumsbranchen des Gesundheitssektors. Ein attraktives Gesundheitsmanagement sei in vielen kommunalen Unternehmen jedoch noch immer eine Baustelle, so die VKU-Umfrage. Dabei könnten Arbeitgeber auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, wenn sie die zentrale Bedeutung der Lebenswelt Arbeit für die Gesundheit beachten: Beschäftigte erheben einen immer höheren Anspruch auf Selbstentfaltung und -verwirklichung bei der Arbeit. In vielen kommunalen Unternehmen stehen dem jedoch Arbeitsbedingungen mit eher traditionellen betrieblichen Prozessen und Strukturen entgegen. Wenn kommunale Unternehmen aber bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen eine Vorreiterrolle einnehmen und so das gesellschaftliche Interesse nach Weiterentwicklung bei der Arbeit berücksichtigen, wäre dies eine Chance für Erwerbstätige jeder Alters- und Qualifikationsstufe.
Modernes Gesundheitsmanagement ist agil und digital
Die Chancen der Digitalisierung werden zunehmend auch im Gesundheitsmanagement genutzt, wie zum Beispiel bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung: Wo Menschen sich in Projekten statt in festen Arbeitsbereichen definieren, sie Arbeitsort und -zeit flexibel wählen und sich aktiv an der Arbeitsgestaltung beteiligen, können die traditionellen Methoden des betrieblichen Gesundheitsmanagements an ihre Grenzen stoßen. Betriebliches Gesundheitsmanagement 4.0 ist deshalb agil und digital: Der Trend bewegt sich weg von einfachen, unflexiblen Befragungen hin zu digitalen, adaptiven und kontinuierlichen Feedbacktools, die sich den Besonderheiten und Veränderungen eines Unternehmens und seiner Mitarbeitenden anpassen. Gefährdungen können so schneller und zuverlässiger identifiziert werden, digitale oder klassische Maßnahmen zeitnah durchgeführt und mit wenig Aufwand evaluiert werden. Darüber hinaus profitieren kommunale Unternehmen, die mit automatisierten Rentabilitäts-Analysen die effiziente Nutzung öffentlichen Gelder für die Gesundheitsförderung nachweisen können.
Umsetzungsbeispiele für gelungenes Gesundheitsmanagement
Ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement basiert auf einer Unternehmenskultur, die Lernen fordert und fördert, und dafür Experimentierräume schafft. Best-Practice-Beispiele für Experimentierräume in kommunalen und privatwirtschaftlichen Unternehmen finden Sie hier: www.experimentierraeume.de.