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8. August 2019

Mikroaggressionen - Wenige Worte, starke Nachwirkung

Eine neue Mitarbeiterin mit dunkler Hautfarbe betritt die Büroküche und macht sich einen Kaffee. Ein Kollege stellt sich vor und die Beiden kommen ins Gespräch. Der Kollege lobt die neue Mitarbeiterin für ihre Deutschkenntnisse und erkundigt sich, woher sie komme, worauf sie mit Wuppertal antwortet. Der Andere lächelt und meint „Nein ich meine, woher kommen Sie wirklich?“. Eine alltägliche Szene – der Mitarbeiter möchte die neue Kollegin begrüßen und zeigt Interesse. Was sollte daran aggressiv sein?

Mikroaggressionen – Was sie bedeuten und wer betroffen ist

Als Mikroaggressionen werden unterbewusste verbale Angriffe auf Einzelne und kulturelle Gruppen bezeichnet. Das Wort wurde erstmals in den 1970er Jahren vom Harvard-Professor Dr. Chester M. Pierce verwendet und 2007 durch den kontroversen Artikel „Racial microaggressions in everyday life: implications for clinical practic“ von dem US-Psychologe Derald Wing Sue wiederbelebt. Dort unterteilt Sue Mikroaggressionen in drei verschiedene Kategorien: Mikroangriffe (offensichtliche Übergriffe), Mikrobeleidigungen (klar erkennbare Unhöflichkeit) und Mikroentwürdigungen (Mitteilungen, die abweisend und ausschließend sind). Betroffene sind meistens Angehörige von Minderheiten z.B. Menschen mit Migrationshintergrund, People of Colour und queere Personen, aber auch gegenüber Frauen können geschlechtsspezifische Mikroaggressionen auftreten. Oft wird die Mikroaggression von dem Verursacher oder der Verursacherin gar nicht als solche erkannt, sondern lediglich als unbedeutende Nettigkeit. Dies macht es für die Betroffenen umso schwerer diese einzuordnen und darauf angemessen zu reagieren.

Die Folgen von ein paar Wörtern

Mikroaggressionen zwingen die Person dazu, sich immer wieder erklären zu müssen und die Vorannahmen und Vorurteile des Gegenübers richtigzustellen. Dies hinterlässt Spuren an der Psyche. Aufgrund der scheinbaren Trivialität der Äußerungen scheuen sich viele Menschen gerade im Arbeitskontext die Mikroaggressionen anzusprechen, um nicht als überempfindlich und neurotisch zu gelten. Das Unterdrücken von Emotionen und das ständige Rechtfertigen haben erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen. Neben der Beeinträchtigung der psychischen und physischen Gesundheit, beschreiben Studien ein feindseliges Klima, die Aufrechterhaltung stereotyper Bedrohung und geringere Arbeitsproduktivität und Problemlösefähigkeiten bei den Opfern als mögliche Folgen von Mikroaggressionen.

Kontroverse hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit

Vor allem an amerikanischen Universitäten wird die Debatte leidenschaftlich geführt, wenn es darum geht, ob (womöglich) rassistische Sätze verboten werden sollten und ob dies nicht einer Zensur gleichkommt. Der Psychologe Lilienfeld kritisiert in seinem Artikel „Microaggressions – Strong Claims, Inadequate Evidence“, dass das Konzept Mikroaggression wissenschaftlich unterentwickelt und als eigenes psychologisches Konzept nicht ausreichend empirisch belegt sei. Auch wenn diese Kritik nicht von der Hand zu weisen ist, hat die Debatte trotzdem ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es subtile und versteckte Formen von Ausgrenzung gibt. Aus diesem Grund sollte sich jedes Unternehmen diese Problematik bewusst machen und Maßnahmen ergreifen, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen.

Wie schütze ich als Unternehmen meine Beschäftigten vor Mikroaggressionen?

Gerade weil in Mikroaggressionen unbeabsichtigt implizite Vorurteile stecken, ist es ein in allen Unternehmen präsentes Phänomen. Denn jeder hat Vorurteile, bewusst oder unbewusst. Deswegen ist ein erster Ansatzpunkt Bewusstmachung der Mikroaggression und der eigenen Vorurteile. Die Beschäftigten sollten bereit sein, ihre eigenen impliziten Vorurteile anzuerkennen und sie zu ändern. Deswegen liegen implizite Bias-Trainings in vielen Unternehmen im Trend. Unternehmen wie Coca-Cola, Airbnb und Google haben die Problematik der versteckten Diskriminierung in der Arbeitswelt erkannt und mit diesen Trainings in Angriff genommen.

Zusätzlich zur Sensibilisierung und Aufklärung hilft es klare Grundregeln oder ein Leitfaden aufzustellen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Beschäftigten professionell und respektvoll miteinander umgehen. Außerdem ist es wichtig, dass es eine klare Ansprechperson für von Mikroangriffen betroffene Beschäftigte gibt. Dies kann zum Beispiel ein/e Diskriminierungsbeauftrate*r, das Diversity-Managment oder die Führungskraft sein. Da es für Betroffene schon ein enorm schwieriger Schritt ist die Mikroaggressionen anzusprechen, sollte der Meldeprozess möglichst schnell und unkompliziert gestaltet sein. Eine offene speak up Kultur ermutigt jede Person im Unternehmen, der/die das Gefühl hat, dass er/sie das Ziel einer Mikroaggression war, sich zu äußern. Die für das Thema zuständigen Ansprechpersonen sollten nach der Meldung die betroffenen Personen zusammenbringen, um über den Vorfall zu sprechen. Diese Gespräche sind oft nicht einfach, doch um so wichtiger, um ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem offen über heikle Themen und Konflikte gesprochen werden kann. Das Ziel eines jeden Unternehmens sollte sein, eine tolerante und respektvolle Arbeits- und Lebenswelt zu schaffen, in der Menschen mit verschiedenen Hintergründen gut und produktiv zusammenarbeiten können.

 

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Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der DEKRA.

Autorin: Charlott Hoebel, mit Henning Jakob

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