Die Ermordung von George Floyd und der anhaltende Rassismus in den USA führen auch zu Debatten und Protesten hier in Deutschland. Denn struktureller Rassismus findet sich nicht nur in der Polizeiarbeit, sondern ist in allen Bereichen des Lebens vorhanden. Dies zeigt ein Beispiel aus einem Architekturbüro in Berlin. Anfang des Jahres verschickte die Chefin eine als firmenintern gedachte E-Mail zu einem Bewerbungsverfahren mit dem Wortlaut „Bitte keine Araber“. Dass Diskriminierung aufgrund rassistischer Gründen auch an deutschen Arbeitsplätzen keine Seltenheit ist, zeigt die Diversity & Inclusion Study der Job- und Recruiting-Plattform Glassdoor. 21 Prozent der befragten Berufstätigen gaben an bereits Rassismus am Arbeitsplatz selbst erfahren oder beobachtet zu haben. Dennoch steht das Thema selten auf der Agenda. Wie kann es sein, dass Rassismus so häufig übersehen wird und was können Arbeitgeber dagegen tun?
Der Kampf gegen Rassismus ist gesetzliche Pflicht
Seit 2006 schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Menschen, die wegen rassistischen Gründen, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt oder diskriminiert werden. Arbeitgeber werden darin verpflichtet Beschäftigte vor Benachteiligung zu schützen und der Diskriminierung vorzubeugen. Das bedeutet auch, dass Unternehmen andere Beschäftigte, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, abmahnen, versetzen oder kündigen dürfen. Der Betriebsrat prüft wiederum, ob der Arbeitgeber die Ziele des AGG einhält und angemessen auf Diskriminierung reagiert. Doch auch wenn der Kampf gegen Rassismus im Gesetz steht, wird er in vielen Unternehmen von der Führungsebene nicht wahrgenommen und somit eine Beschäftigung mit dem Thema als nicht nötig betrachtet. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus ist nicht nur wegen derzeitigen Ereignissen ein Muss.
Rassismus am Arbeitsplatz
Rassismus verhindert die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an einer Gesellschaft und stellt Menschen als „weniger wert“ dar. Gemäß den Vorgaben des § 4 Nr. 1 ArbSchG muss Arbeit so gestaltet werden, dass eine Gefährdung für die psychische Gesundheit möglichst vermieden beziehungsweise geringgehalten wird. Arbeitsschutzrelevante Gefährdung kann auch in Form von psychischen Belastungen in Folge von Diskriminierung auftreten, gegen die der Arbeitgeber Maßnahmen veranlassen muss (§ 5 ArbSchG). Diese Gefährdung kann beispielsweise durch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (PGB) ermittelt werden. Versäumt der Arbeitgeber seine Pflicht Rassismus im Unternehmen aufzudecken, läuft er Gefahr, dass gut ausgebildete Fachkräfte kündigen, da sie sich nicht willkommen fühlen. Auch ein längerer krankheitsbedingter Ausfall der diskriminierten Person ist möglich. Denn Rassismus greift den Selbstwert und die Identität einer Person an und kann langfristige psychische Folgen haben.
Was Unternehmen gegen Rassismus tun können
Rassismuskritik und Antidiskriminierung sollten unverzichtbare Pfeiler einer heterogenen Unternehmenskultur sein. Arbeitgeber müssen einen Arbeitsplatz schaffen, an dem Respekt und Wertschätzung selbstverständlich ist. Die Nulltoleranz gegenüber Rassismus und Fremdenfeindlichkeit muss sich glaubwürdig in der Unternehmenspolitik widerspiegeln, sodass allen Beschäftigten dieses Ziel und die damit verbundene Verantwortung klar ist.
1. Antidiskriminierende Strukturen im Unternehmen
Jedes Unternehmen sollte sich klar gegen Rassismus positionieren und dies auch an die Belegschaft weitergeben. Hierfür kommen verschiedene Maßnahmen in Frage:
- Leitlinien gegen Rassismus
- Verhaltensrichtlinien
- Unternehmensprogramme
- Betriebsvereinbarung
Diese präventiven Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit können durch Schulungen, Flyer, Plakate oder Rundschreiben im Betrieb verbreitet werden.
2. Präventionsarbeit durch betriebliche Bildungsarbeit
In vielen Unternehmen ist Rassismus alltäglich, auch wenn es in den seltensten Fällen zum Thema gemacht wird. Denn viele Menschen glauben nach wie vor, dass dieser sich nur in absichtsvollem individuellen Handeln manifestiert. Deshalb sagen viele Arbeitgeber reflexartig, es gäbe in ihrem Unternehmen kein Problem mit Rassismus. Dies ist nicht verwunderlich, denn er findet vor allem unbewusst und unbeabsichtigt statt. Weiße Beschäftigte verfügen oft nicht immer über das nötige Problembewusstsein und reproduzieren unbewusst Rassismus z.B. durch Mikroaggressionen. Folgende Maßnahmen helfen, die Belegschaft für Rassismus zu sensibilisieren und eigene Stereotypen zu erkennen:
- Arbeitsgruppen und Räume schaffen, in denen alle Beschäftigten sich über Rassismus austauschen und über ihn lernen können
- Sensibilisierungsmodule für die Belegschaft, besonders für Führungskräfte
- Training zur Kompetenzsteigerung: Was mache ich, wenn ich Fremdenfeindlichkeit im Betrieb beobachte?
3. Eine Personalauswahl frei von Rassismus
Ein wichtiger Punkt ist auch, ob Diskriminierung bei den Karrierechancen im Unternehmen herrscht. Welche Positionen besitzen die weißen Beschäftigten und welche die Beschäftigten mit Migrationshintergrund oder People of Color? Denn in vielen deutsche Unternehmen spiegelt sich die Vielfalt der Gesellschaft nicht in der Belegschaft wieder. Lediglich 62 Prozent der deutschen Befragten gaben in der Studie von Glassdor an, dass sie bei einem Arbeitgeber arbeiten, der über eine diverse Belegschaft verfügt. Das verringert die Möglichkeit für offene Diskriminierung und bedeutet, dass in vielen Branchen Menschen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert sind. Eine Untersuchung zur Bewerberauswahl zeigte beispielsweise, dass allein die Angabe eines türkischen Namens ausreicht, um die Chance auf ein Vorstellungsgespräch um bis zu elf Prozent zu senken. Für eine rassismusfreie Einstellungspolitik ist der Leitfaden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes “Fair in den Job! – Leitfaden für diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren (2019)” eine gute Orientierung.
Eine mögliche Maßnahme für eine diskriminierungsfreie Personalauswahl ist das Durchführen von anonymisierte Bewerbungsverfahren. Dieses Vorgehen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen nicht nach Äußerlichkeiten oder ethnischer Herkunft, sondern nach Qualifikation eingestellt werden. Um die Diversität im Unternehmen zusätzlich zu erhöhen, können Stellenanzeigen durch vielfältige Fotos (nicht nur weiße abgebildete Menschen) den Kreis der Bewerber*innen vergrößern. Auch das Verbreiten von Stellenanzeigen in Communities of Color oder Kulturzentren hilft Nachwuchskräfte zu gewinnen. Bei dem gesamten Personalauswahlprozess sollte eine vielfältige Belegschaft eines der Ziele sein. Spezielle Fortbildungen können Personalverantwortliche und Führungskräfte für einen vielfaltsorientierten Umgang sensibilisieren und ein Bewusstsein für unterschwellige Ausschlussmechanismen beispielsweise im Bewerbungsgespräch schaffen.
4. Offener und direkter Widerspruch gegen Rassismus
Beleidigende Kommentare oder ausländerfeindliche Witze dürfen Führungskräfte und Kolleg*innen nicht tolerieren. Bekommt eine Person im Arbeitsalltag eine rassistische Äußerung mit, sollte direkt und unmissverständlich offen widersprochen werden. Eine klare Positionierung reicht hier aus. Denn mit dem Einlassen auf eine Diskussion werden rassistische Äußerungen erst diskutabel. Dieses entschiedene Entgegentreten sendet ein Signal der Solidarität an den oder die Betroffenen und motiviert andere Kolleg*innen beim nächsten Mal selbst die Initiative zu ergreifen. Diese Positionierung gegen Rassismus können Unternehmen durch das Aufstellen von Verhaltensrichtlinien oder Trainings verstärken.
5. Vertrauensvolle Anlaufstellen schaffen
In der Belegschaft sollten klare Regeln zum Umgang mit Beschwerden über Rassismus und eindeutige Konsequenzen für die Täter*innen herrschen. Hierfür empfiehlt es sich eine erste verlässliche Ansprechperson zu bestimmen, an die sich Betroffene oder aufmerksame Kolleg*innen wenden können. Dies kann die Führungskraft, die Personalabteilung oder auch der Betriebsrat sein. In größeren Unternehmen wird es auch immer üblicher eine firmeneigene Antidiskriminierungsstellen einzurichten. Egal an wen sich die Personen wenden, die Meldungen müssen immer vertraulich behandelt werden. Um zu verhindern, dass das Gesagte nur als Gerede abgetan wird, sollte die rassistische Äußerung präzise dokumentiert werden inklusive Uhrzeit, Inhalt, Setting und Anwesenden. Die Verantwortlichen müssen dann entscheiden wie weiter verfahren wird.
6. Rassismus frühzeitig erkennen
Wichtig ist es, rassistische Tendenzen zu erkennen und frühzeitig einzugreifen. Arbeitgeber müssen sich deutlich von rassistischen Gesinnungen distanzieren und klare Standpunkte beziehen, an denen die Beschäftigten sich orientieren können. Dieser Standpunkt sollte durch klar Maßnahmen, die ein wahrnehmbares Zeichen setzen, untermauert werden. Denn ein rassistischer Mitarbeiter oder rassistische Mitarbeiterin übt mit diesen Äußerungen nicht nur psychische Gewalt aus, sondern gefährdet ebenfalls den Betriebsfrieden und den Ruf des Unternehmens. Um einen Überblick über Rassismus oder anderweitige Diskriminierung im Unternehmen zu bekommen, bietet es sich an, diese zu erfassen und auszuwerten. Eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung wäre eine Möglichkeit die Beschäftigte regelmäßig anonym zu den Auswirkungen von Diskriminierung am Arbeitsplatz zu befragen.
Fazit
Beim Thema Rassismus stehen Arbeitgeber unter enormem Druck und die Gefahr einen Fehler bei diesem sensiblen Thema zu machen ist hoch. Deswegen müssen Unternehmen langfristige Veränderungen anstreben und nicht nur bloße Scheinmaßnahmen durchführen. Wichtig hier ist Präventionsarbeit, um rassistische Tendenzen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn von diversen Teams profitieren auch die Unternehmen. Ana-Cristina Grohnert ist Vorsitzende der Charta der Vielfalt, Top-Managerin, Investorin, Mentorin und Autorin. Sie beschreibt in ihrem Interview mit DearEmployee, das Vielfalt und Toleranz DER Hebel für gesunde und motivierte Beschäftigte ist.
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