Sandra B. arbeitet seit 7 Jahren als Kinderkrankenschwester auf einer Intensivstation für Früh- und Neugeborene. Sie ist in einem 3-Schichtensystem (Früh-, Spät- und Nachtdienst) tätig. Wenn ihre Freunde sich abends in der Bar verabreden oder am Wochenende zusammen frühstücken, muss Sandra regelmäßig absagen. Sie arbeitet häufig dann, wenn viele andere Personen aus ihrem sozialen Umfeld frei haben, wie z.B. abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen. Sandra fühlt sich dadurch im Hinblick auf ihre sozialen Kontakte und ihre Freizeitgestaltung stark eingeschränkt. Noch stärker wirkt sich der Schichtdienst auf Pflegekräfte aus, die Familie und Kinder haben. Denn für sie öffnet der Schichtdienst eine Kluft zwischen Privat- und Arbeitsleben, von der auch sämtliche Familienmitglieder betroffen sind.
Durch die Arbeit im Schichtdienst gerät jedoch nicht nur das Familienleben aus dem Gleichgewicht. Es ist ebenso schwer eine geregelte und gesunde Ernährung beizubehalten. Es ist bei Sandra und ihren Kolleg*Innen durchaus üblich, dass an einem stressigen Arbeitstag mit vielen Aufnahmen, Entlassungen und unvorhergesehenen Notfällen keine Zeit für eine Pause mit einer größeren Mahlzeit bleibt. In diesen Diensten helfen Süßigkeiten und andere ungesunde Snacks, die man im Vorbeigehen mal eben schnell essen kann, über den Tag. Nach Feierabend ist der Hunger dann meist umso größer und dann darf es – egal zu welcher Tageszeit – auch gerne mal eine deftige Hauptmahlzeit sein. Das Pflegepersonal weiß, dass dieses Essverhalten auf Dauer ungesund ist und krank macht. Dennoch fällt es ihnen in diesem unregelmäßigen Rhythmus schwer, ihr Verhalten zu ändern.
Aktuelle Zahlen und Fakten zum Schichtdienst in Deutschland
Ähnlich wie Sandra geht es laut Arbeitszeitreport Deutschland 2016 (BAuA, 2016a) 20 % der Beschäftigten in Deutschland, die zu versetzten Arbeitszeiten oder in Wechselschichten mit und ohne Nachtarbeit arbeiten. Die meisten Beschäftigten in Wechselschichten mit Nachtarbeit arbeiten in der Industrie (z.B. Produktionsmitarbeiter in der Automobil-, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie), im Hotel- und Gaststättengewerbe und im öffentlichen Dienst (z.B. Pflege, Feuerwehr, Polizei).
Laut einem Report der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV, 2012) zum Thema Schichtarbeit ist der allgemeine Trend zu atypischen Arbeitszeiten in Deutschland steigend. Insgesamt ist der Anteil der Beschäftigten, die im Schichtdienst arbeiten von 13% (1991) auf 15% (2004) und 20% (2016) angestiegen.
Wesentliche Gründe hierfür sind vermehrte Rund-um-die-Uhr-Services im Dienstleistungsbereich, ein erhöhter Bedarf an einen durchgehenden Produktionsbetrieb, technisch verbesserte Produktionsmethoden und die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die in Deutschland am häufigsten eingesetzten Schichtsysteme sind Zwei- und Dreischichtsysteme.
Wie krank macht Schichtdienst wirklich? Studie zu Schichtarbeit und metabolischem Syndrom
Wie die Meta-Analyse von K. Watanabe und Kollegen zeigt, ist die Arbeit im Schichtdienst mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von körperlichen Erkrankungen verbunden, wie z.B. abdomineller Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Insulinresistenz bzw. gestörter Glukosetoleranz. Weitere häufig bei Beschäftigten im Schichtdienst auftretende Erkrankungen sind Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und körperliche Erschöpfungszustände.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat 2016 eine Übersichtsarbeit über alle Studien veröffentlicht, die von 2000 bis 2014 zum Thema Schichtarbeit und Wochenendarbeit erhoben wurden. Über all diese Studien hinweg zeigte sich, dass Schichtarbeit und Wochenendarbeit neben dem negativen Einfluss auf gesundheitliche Beschwerden auch einen starken Einfluss auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten hat. Durch Schicht- und Wochenendarbeit erhöhen sich u.a. das Stresserleben oder die Burnout-Symptome der Beschäftigten. Neben der physischen und psychischen Belastung behindert die Schichtarbeit (wie oben beschrieben) auch soziale Aktivitäten. Und sie führt dazu, dass die Ruhezeiten der Beschäftigten (v.a. nach Nachtdiensten) verkürzt sind. Grund dafür ist, dass die Beschäftigten nach Nachtdiensten meist kürzer und schlechter schlafen als bei einem geregelten Nachtschlaf. Durch den ständigen Wechsel der Schichten kommt es außerdem zu einer Störung des physiologischen Tag-Nacht-Rhythmus, der mit einer eingeschränkten Melatoninproduktion und somit einer Verringerung des Melatoninspiegels im Blut einhergeht. Dies hat u.a. ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen zur Folge. Seit 2010 listet das internationale Krebsforschungszentrum (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schichtarbeit, die Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus beinhaltet, als für Menschen wahrscheinlich krebserregenden Faktor.
Mehr Arbeitsunfälle durch Schichtdienst
Ein besonderes Augenmerk legt der Report zum Thema Schichtarbeit der DGUV (2012) auch auf die Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit und Arbeitsunfällen. Sie belegen ein gesteigertes Unfallrisiko zu abweichenden oder ungewöhnlichen Arbeitszeiten z.B. nachts oder an Sonntagen gegenüber den „normalen“ Arbeitszeiten. Des Weiteren steigt das Unfallrisiko nach der 7. bis 9. Arbeitsstunde und mit zunehmender Länge der Folge von Schichtarbeitstagen deutlich. Dies hat gerade dann weitreichende Folgen, wenn es beispielsweise um Menschenleben im Krankenhaus geht.
Fazit
Die Arbeit im Schichtdienst geht mit einer Reihe von psychischen, körperlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Beschäftigte im Schichtdienst haben aufgrund der atypischen Arbeitszeiten und der daraus resultierenden zusätzlichen körperlichen Belastungen ein erhöhtes Risiko für körperliche (z.B. Metabolisches Syndrom) und psychische Erkrankungen (z.B. Depressionen). Dies hat eine Vielzahl von krankheitsbedingten Fehltagen und somit eine Abnahme der Arbeitsleistung zufolge. Es ist daher umso wichtiger, die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Schichtdienst so angenehm und umsetzbar wie möglich zu gestalten. Ein geeignetes Betriebliches Gesundheitsmanagement kann dafür sorgen, dass die Gesundheit der Beschäftigten im Schichtdienst erhalten und gefördert wird. Welche Maßnahmen in diesem Zusammenhang sinnvoll sind, erfahren Sie im Beitrag „Schlaflos nach Feierabend – wie kann Schichtarbeit gesünder werden?“.
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der DEKRA.
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Quellen:
BAuA (2016a). Überblick über das Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“. doi:10.21934/baua:fokus20160720
BAuA (2016b): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2015 – Unfallverhütungsbericht Arbeit.1.Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016.ISBN: 978-3-88261-217-2, Seiten 191, Papier, PDF-Datei, doi: 10.21934/baua:bericht20161124
DGUV Report 1/2012 Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten. Hiltraut Paridon, Sabine Ernst, Volker Harth, Peter Nickel, Annette Nold, Dirk Pallapies unter Mitarbeit von Friederike Engst, Liane Krahnert, Irene Schurtz, Jens Zorn, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
International Agency for Research on Cancer (IARC) der World Health Organization (WHO). IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans.http://monographs.iarc.fr/ENG/Classification/latest_classif.php, abgerufen am 14.06.2018, 10:30
Statistisches Bundesamt (2017): Qualität der Arbeit. Geld verdienen und was sonst noch zählt. Wiesbaden, S. 26.
Watanabe, K. et al. (2018). Work-related psychosocial factors and metabolic syndrome onset among workers: a systemtic review and meta-analysis. obesity reviews. doi: 10.1111/obr.12725