Es gibt diverse Möglichkeiten, die psychische Gefährdungsbeurteilung im Betrieb durchzuführen. Gesetzliche Vorschriften, die regeln, wie eine solche Beurteilung auszusehen hat, gibt es nicht. Bisher ist selbst das Durchführen einer PGB eher die Ausnahme als die Regel. Bei einer Befragung von Betriebsräten gaben nur 24 % an, dass in ihrem Betrieb eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird (aus: Ahlers, E. Arbeit und Gesundheit im Betrieblichen Kontext. Befunde aus der Betriebsrätebefragung des WSI 2015. In: WSI-Report 2016. Düsseldorf). Und so steht man als Verantwortlicher bei der Planung der ersten Beurteilung psychischer Gefährdung oft vor der Frage, wie so eine PGB am sinnvollsten umzusetzen sei. Und in vielen Unternehmen, in denen bereits eine PGB durchgeführt wurde, stellt sich mitunter die Frage einer ressourcenschonenderen und aussagekräftigeren PGB. In der Praxis zeigen sich 3 verschiedene Typen von Herangehensweisen, die Unternehmen anwenden.
Katja Schuller von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat mit ihren Kollegen diese 3 verschiedenen Typen im Artikel „Methodische Vorgehensweisen bei der Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung in der betrieblichen Praxis“ beschrieben. Der Artikel sei jedem empfohlen, der sich mit der aktuellen Literatur zum Thema befassen möchte. In dem Artikel fassen die Autoren die verschiedenen Herangehensweisen in 3 Typen gemäß ihrer methodischen Orientierung zusammen: 1. Messen und Bewerten von Konstrukten psychischer Belastung, 2. Verstehen und Erklären von problematischen Arbeitssituationen und 3. Erstellen eines (vermeintlich) rechtssicheren Dokumentes. Und so unterscheiden sie sich:
1. Typ: Statistiker oder „If you can’t measure it, you can’t manage it”
Gerade in großen Betrieben, in denen der Arbeitsschutz ein fester Bestandteil ihrer Kultur und Struktur ist, orientiert man sich bei der PGB eher an strukturierten Prozessen, standardisierten Verfahren und trifft datengestützte Entscheidungen. Erfasst werden demnach etablierte psychologische Konstrukte, wie sie z.B. in den gängigen Fragebogen-Verfahren genutzt werden. Für die Beurteilung der Belastung werden verfügbare Grenzwerte genutzt. Maßnahmen sollen in ihrer Wirkung schliesslich messbar sein.
Die Stärke dieser Vorgehensweise: Sie ist sehr methodisch und systematisch. Die Ergebnisse sind in der Regel gut dokumentiert und passen gut in bestehende Bewertungs- und Berichtsstrukturen – in großen Betrieben eine vorteilhafte Eigenschaft. Zudem können durch eine regelmäßige, standardisierte PGB vergleichbare Ergebnisse gewonnen werden.
Wegen der zum Teil eher abstrakten Ergebnisse sind dieser Herangehensweise jedoch auch Grenzen gesetzt: Entstehungszusammenhänge lassen sich mit ihr oft schlechter erforschen und so scheint die Entwicklung geeigneter Maßnahmen schwieriger.
2. Typ: Die Reagierer oder „Lass uns drüber reden, dann finden wir einen Weg“
Dieser Typ beschreibt vor allem KMUs, in denen Arbeitsschutzstrukturen eher weniger stark ausgeprägt sind. Gerade in diesen steht das Verstehen von problematischen Einzelfällen oft im Vordergrund, da oft ein persönlicherer Umgang gepflegt wird. Und so findet eine PGB eben auch eher im persönlichen Gespräch, eher konkret fallbezogen und meistens wenig standardisiert statt.
Die Vorteile dieser Herangehensweise sind die Nachteile der ersten und umgekehrt: Die Entstehungszusammenhänge von konkreten Problemen lassen sich gut herausarbeiten. Der Blick auf die psychische Belastung der Mitarbeiter lässt eine gezielte Entwicklung von Gegenmaßnahmen zu. Dafür fehlt jedoch der Blick für’s Ganze und eine systematische Dokumentation. Durch fehlende Standardisierung und mangelnder Generalisierbarkeit sind enge Grenzen gesetzt.
3. Typ: Die Sparsamen oder „Hauptsache, wir haben was getan“
Vermutlich unter wirtschaftlichem Druck und unter der Annahme, dass eine PGB nicht positiv zum Geschäftsergebnis beiträgt, denkt eine Reihe von Unternehmen die PGB von ihrem Ergebnis her. Anstatt also einen Prozess zu etablieren, der ein tieferes Verständnis für psychische Belastungsfaktoren schafft, konzentrieren sich Unternehmen dieses Typus darauf, Ergebnisse zu präsentieren, die dokumentieren, dass sie ihre gesetzliche Pflicht erfüllt haben.
Der einzige Vorteil: Sie können sagen, dass sie etwas getan haben. Denn diese Art der Vorgehensweise ist zwar davon getrieben, das Gesetz zu erfüllen, aber eine gesetzeskonforme Umsetzung ist oft trotzdem nicht gegeben: Denn allzu oft folgen auf die Daten eben keine Taten. Zudem werden die Vorteile einer integrierten PGB außer Acht gelassen.
Der integrierte Ansatz von DearEmployee
Kann ein Verfahren für die eigene PGB nicht auch die Stärken aller drei Herangehensweisen vereinen und somit für jeden Unternehmenstyp geeignet sein? Also einen standardisierten Fragebogen verwenden, der einen systematischen Überblick über die verschiedenen Belastungsfaktoren ermöglicht. Außerdem einen qualitativen, kommunikativ-reflexiven Fragenteil zu integrieren, der wichtige Einsichten in die Entstehungsprozesse psychischer Gefährdung gestattet und eine gezielte Maßnahmenempfehlung erlaubt. Und zu guter Letzt die Ergebnisse in gesetzeskonformer Weise klar und ressourcenschonend zu dokumentieren.
DearEmployee verbindet die Herangehensweisen von Typ 1 und Typ 2 und ist gleichzeitig ressourcenschonend wie Typ 3: Die verwendeten Ratingskalen des Fragebogens sind standardisiert und ermöglichen eine regelbasierte Auswertung zur Beurteilung der Gefährdung, was der ersten Herangehensweise (Typ Statistiker) entspricht. Zudem gehen gemessene Daten in Benchmarks ein, die branchenübergreifend, branchenspezifisch oder sogar unternehmensintern abteilungsspezifisch sein können.
Durch das integrierte Nachfragesystem können außerdem die Ursachen für das Zustandekommen der ungünstigen Arbeitsbedingungen identifiziert werden – dies entspricht den Zielen des Typs Reagierer, den wir auch Ursachenforscher nennen könnten. Um diesen qualitativen Teil optimal dokumentieren und für die Maßnahmenableitung nutzen zu können, arbeitet DearEmployee mit Tags, die den Standardfragebogen erweitern. So lässt sich über längere Messzeiträume hinweg immer genauer darstellen, welche Problemlagen wo am häufigsten auftreten und analysieren, welche Maßnahmen welche Wirkung entfaltet haben. Auch der sparsame Typ kann zufrieden sein: Durch voll-automatisierte Analysen und verschieden umfangreiche Ansätze findet auch er bei DearEmployee einen ressourcenorientierten Weg, die PGB schnell und einfach umzusetzen.
Integration der Beanspruchungsanalyse
Viele Fragebögen prüfen, ob die Ausprägungen der Arbeitsbedingungen in einem „belastenden Bereich“ liegen, also ob die Belastung über einem kritischen Wert liegt oder ob sie im Vergleich zu anderen Unternehmen aus der gleichen oder einer anderen Branche deutlich abweicht. Der Nachteil dieser isolierten Betrachtung der Belastungsfaktoren liegt in Ursachenzuschreibungen, die oft nicht haltbar sind: Eine hohe Ausprägung einer Belastung (=Arbeitsbedingung) muss nicht zwangsläufig auch zu einer hohen Beanspruchung führen.
Wenn sich beispielsweise eine Führungskraft in ihrem Umgang mit MitarbeiterInnen durch eine geringe Sozialkompetenz auszeichnet (hohe Belastung), kann es durchaus sein, dass sich dies nicht auf das Wohlbefinden der Beschäftigten auswirkt (niedrige Beanspruchung), weil das Team ansonsten äußerst angenehm und produktiv zusammenarbeitet. So führt die starke Belastung „Chef“ nicht zu einer negativen Beanspruchung. Gleichzeitig kann aber eine ungünstige Gestaltung der Arbeitsumgebung (z.B. hohe Lautstärke) durchaus zu einer hohen Fehlbeanspruchung führen. Eine reine Bewertung der psychischen Belastung auf Basis der Einschätzung der Führungskraft reicht also für ein vollständiges Bild nicht aus.
Eine rein belastungsorientierte Planung von Maßnahmen kann somit ein Risiko darstellen, dem durch die Analyse des Zusammenhangs von Belastung und Beanspruchung sinnvoll und ressourcenschonend begegnet werden kann.
DearEmployee hat daher verfahrensdefinierte Vorgaben geschaffen, nach denen eine Einteilung in eine niedrige, mittlere oder hohe Ausprägung des Belastungsfaktors erfolgt. Zusätzlich wird die Stärke des Zusammenhangs mit der psychischen Gesundheit ermittelt und basierend auf statistischen Konventionen beurteilt. Nur wenn eine Arbeitsbedingung negativ ausgeprägt ist und einen deutlichen Zusammenhang zur psychischen Gesundheit der Beschäftigten aufweist, wird sie als „fehlbelastend“ bewertet.
Durch diese Vorgehensweise kann die manchmal hohe Anzahl von Belastungsfaktoren sinnvoll eingegrenzt werden und eine bessere Steuerung von Gegenmaßnahmen ermöglicht werden.
Gerne laden wir die Leser zu einer Online-Demo ein, bei der wir unsere Art der Befragung zeigen können.
Autorin: Amelie Wiedemann
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der DEKRA.